Es gibt Menschen, die kennen schon als kleine Kinder ihre Berufswünsche. Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau, Polizistin, Tierarzt oder Tierärztin oder Hebamme. Manche üben dann diesen Beruf auch ihr Leben lang aus. Mein Bruder, zum Beispiel, wollte immer in einer Bank arbeiten. Demnächst geht er in Rente. Er arbeitet bis heute bei der Bank, bei der er ausgebildet wurde.

Dann gibt es Menschen, die zwar als Kinder bereits einen Berufswunsch habten, diesen aber entweder auf Umwegen oder nie ausüben: „Ich wollte immer Tierärztin werden – bin jetzt Fleischerin geworden.“ Ich wollte Stewardess werden. Dafür war ich zu klein, genauso wie für die Polizei. Dann wurde ich Krankenschwester. „Wollte eigentlich Physik studieren und ich bin heute Kranführer.“

Oft ist es auch so, dass zwar schon ein konkreter Wunsch vorlag, aber die Schulnoten nicht gut waren oder es einfach keine Ausbildungsplätze gab.

Und dann gibt es solche wie mich

Was ich nicht werden wollte

Auf keinen Fall wollte ich in einem Büro sitzen und Schreibmaschine schreiben oder mir von einem Chef etwas diktieren lassen. Das wusste ich schon als Teenager ganz genau. Meine Tante Marie war Schulsekretärin, mein Vater Hausmeister in dieser Schule. Was sie darüber erzählten, war abschreckend genug, um mir darüber eine Meinung zu bilden. Nicht ins Büro – das war ganz sicher.

Es gab in meiner Kindheit schon ein paar Ansätze

Als kleines Mädchen beobachtete mich meine Mutter beim Spielen mit den anderen Kindern im Sandkasten. Scheinbar teilte ich immer allen eine Aufgabe zu. Du machst das, du machst das und du tust das. Meiner Mutter war klar, dass ich mal eine Chefin werde.

Die Kunstlehrerin in der Realschule versuchte meiner Mutter zu vermitteln, dass ich etwas mit Kunst machen sollte. Meine Mutter war nicht begeistert. Das ist brotlos, da verdient man nix, sagte sie.

Die Deutschlehrerin in der 9. Klasse meinte, dass ich wunderbar schreiben könnte. Ich könnte doch Schriftstellerin werden. Das hat meine Eltern auch nicht besonders interessiert.

Langsam wurde es knapp

Bis kurz vor der Mittleren Reife wussten fast alle meine Klassenkameradinnen, was sie nach der Schule machen wollen. Meine Idee, zur Polizei, wurde ganz schnell zerschlagen. Ich sollte wieder kommen, wenn ich 18 Jahre alt wäre, das ist aber noch sehr lange, dachte ich – ich war gerade 16. Danach wollte ich eine Ausbildung in einem Reisebüro machen. Ich fand allerdings keinen Ausbildungsplatz – vor fünfzig Jahren gab es da noch nicht viele Möglichkeiten.

Meiner Freundin Helga ging es so ähnlich. Wir hatten beide von zu Hause wenig Unterstützung in der Berufsfindung. In ihrer Verzweiflung wollte sie sich in einem bekannten Hotel für eine Lehrstelle als Hotel- und Gaststättengehilfe bewerben. „Kommst du mit, fragte sie. Ich möchte da nicht allein hin.“

Da mich so ein komischen „Gehilfe-Beruf“ überhaupt nicht interessierte, war ich bei ihrem Bewerbungsgespräch ein wenig vorlaut.

Auf dem Weg nach Hause redete ich ihr diesen Ausbildungsplatz vehement aus.

Und dann wurde ich doch noch was

Seltsamerweise und obwohl ich so einen fast schon frechen Auftritt hatte, rief am selben Abend der Hotelbesitzer bei uns an und wollte mich zu einem Bewerbungsgespräch einladen. Nein, sagte ich, nicht Gehilfe, ich wollte eine Lehrstelle als Hotel- und Gaststättenkaufmann. Woher ich diese Idee hatte, ist mir heute noch ein Rätsel, es gab ja noch kein Google.

Vermutlich hatte ich Eindruck erweckt und ich bekam diese Lehrstelle. Meine Eltern waren zufrieden. Und meine Freundin hatte dann doch noch Glück in einer Bank und konnte dort ihre Lehre absolvieren. Heute, fast 50 Jahre später, ist sie Vorständin, kurz vor ihrer Pensionierung und hoffentlich froh, dass ich ihr damals diesen Gehilfe-Beruf ausgeredet habe.

Margit mit 16 Jahren

So ging es nach der Ausbildung weiter

Villa Hansa, Timmendorfer Strand

Assistentin der Geschäftsleitung in zwei Hotels an der Mosel und Ostsee

Empfangsdame in einem Hotel in Stuttgart

Sachbearbeiterin bei einem Reiseveranstalter in Stuttgart

Reisebüro-Mitarbeiterin in einem Reisebüro in Stuttgart

Büroleiterin in zwei Reisebüros in Karlsruhe

1986 Selbstständigkeit als Inhaberin und Eröffnung eines Reisebüros in Filderstadt

Filderstadt-Bernhausen

insgesamt sieben Reisebüros eröffnet (dazwischen 3 Kinder geboren)

2001 Verkauf an einen Reiseveranstalter

Kunststudium und Kurse (bis heute) in freier Malerei durchgeführt

Trainerin im Reisebüro und bei Veranstalter für Verkauf und Kommunikation

2015 Umzug ins Allgäu. Ferienwohnungsvermietung. Weiterhin Trainings und Malkurse

2021 bis heute: Kauf einer Hotelimmobilie in Willingen/Upland. Eröffnung des Landhotels Baumwipfel.

Veröffentlichung meines ersten Buches 

Biografische Zufälle oder was dir alles zufällt

Die Meinung meiner Mutter, die Aussage der Kunstlehrerin, die Idee meiner Deutschlehrerin und eine Ausbildungsbewerbung wider Willen führten mich zu meinem beruflichen Werdegang.

Margit im Sandkasten

Während ich diesen Artikel schrieb, hatte ich Zeit, mein Berufsleben Revue passieren zu lassen. Spannend im Nachhinein, wie ein großes Puzzle.

Es gibt noch ein paar Ideen

Ich möchte aus unserem Hotel ein Kunsthotel machen.

Der Bekanntheitsgrad als Künstlerin und Workshopleiterin darf sich erhöhen.

Ich möchte noch ein Buch schreiben.

Wie war oder ist das bei dir? Was wolltest du werden oder niemals sein?

Ich freue mich über deine Geschichte. Schreib gerne in die Kommentare.

Die Margit

Nutze die Talente, die du hast – die Wälder wären still, wenn nur die begabtesten Vögel sind.

Henry van Dyke